zur Hauptseite

Über Land und durch Kanäle

Koper (Slowenien) - per Tieflader nach Berlin – über Havel/Oder-Kanal nach Stettin

22. bis 26.9.1993; 98 sm in 3 Tagen  Crew: Julia und Joachim, Walter

Der Yachttransporteur Lauterjung holte die Carioca in Koper ab und beaufsichtigte auch das Mastlegen – mehr noch, er musste mit einem Gummihammer den Mastfuß heftig bearbeiten, denn der durchgehende Alumast war in der Kielsohle so festkorrodiert, dass beim Mastziehen fast das ganze Schiff mit hochgehoben wurde. Sein Tieflade-Sattelzug war hervorragend für die alte Dame Carioca geeignet. Da Ihre Transporthöhe ca. 4 Meter betrug, gab es manchmal Probleme mit Brücken. Er konnte dann den gesamten Sattel-Auflieger hydraulisch bis fast auf Bodenfreiheit Null absenken. Wir hatten verabredet, dass wir das in Deutschland wegen der Überbreite von vier Metern nötige Begleitfahrzeug stellen würden und so fuhr Julia mit dem PKW nach Salzburg und begleitete den Zug bis Nürnberg, wo ich dazukam. Unsere Aufgabe war es, mit einem roten Blinklicht auf dem Dach (wir nannten es „Kojak“) die linke Spur für den Zug freizusperren, wenn er z.B. wegen einer Brücke oder eines auf dem Seitenstreifen stehenden Fahrzeugs nach links ziehen musste, während er sonst durch scharfes Rechts­fahren die Überbreite auf den Seitenstreifen ragen ließ. Das ging sehr gut, nur einmal drängelte sich im Dunkeln ein Golf GT noch mit ca.170 km/h an uns vorbei und bremste sich dann hinter der Carioca seine Reifen vierkantig.

Damals war die direkte Autobahn nach Berlin über Hof–Leipzig im Bau, so dass die erforderliche amtliche Genehmigung uns über Fulda–Hannover führten sollte. In Fulda übernachteten wir oben in luftiger Höhe auf der Carioca. Am Morgen erfuhr Lauterjung, dass überraschend auf der Autobahn Hannover-Berlin eine Baustelle eingerichtet worden war, die mit Überbreite nicht zu befahren war. Wir hätten bis zur nächsten Nacht warten und dann für DM 2000 die Fahrbahn-Begrenzungen nur für uns kurzfristig wegräumen lassen müssen. Lauterjung wusste wieder Rat. Von einem Kollegen erwarb er eine Genehmigung für die Strecke Hannover-Hamburg-Berlin und ließ sie sich ins nächste Rasthaus faxen.

Also fuhren wir mit dem Schiff fast bis zur Nordsee und dann zurück nach Berlin! Als wir schließlich um 23 Uhr mit Polizeibegleitung über die Avus am Funkturm vorbeifuhren, war die Carioca doch endlich mal in ihrem „Heimathafen“.

Übergewicht und Tauchtiefe

Im Berliner Westhafen wurde sie dann in ihr Element gesetzt. Ich hatte das Gewicht laut Papieren mit 12 Tonnen angegeben, aber als der Kranführer sie am Haken hatte, rief er von oben: „Wat ha’m’se jesacht, 12 Tonnen? Ick hab’ 17’nhalb uff de Waaje!“. Und das, nachdem alle schweren Werkzeuge etc. schon ausgeladen waren. Da hatte die Werft also nicht mit Material gespart!

Man wird sich wundern, warum wir nicht gleich auf dem Landwege nach Stettin gefahren sind. Damals war die minimale Wartezeit an der Grenze 48 Stunden, und das konnten wir Herrn Lauterjung nicht zumuten und bezahlen. Ich hatte mich natürlich vorher bei den einzelnen Wasserbau- und Schifffahrtsämtern zwischen Berlin und der polnischen Grenze nach der zulässigen Tauchtiefe erkundigt. Jeder sagte das gleiche: „In unserem Abschnitt mit ihren 2 m kein Problem, aber davor und dahinter, hoffnungslos!“ Nachdem das ausnahmslos alle gesagt hatten, nahm ich an, es wagen zu können.

Trabbi überfahren!

Mit unserem Freund Walter ging es dann am gleichen Tag noch weiter bis Eberswalde. Am nächsten Tag hatten wir ein ebenso seltenes wie erschreckendes Erlebnis. Auf dem Oder-Havel-Kanal war starker Verkehr von polnischen Schubeinheiten, die etwa 120 m lang waren und nur ca. 4 kn liefen. An ihren Seiten strömte das Wasser in dem engen Kanal mit einer starken Rückströmung vorbei, so dass man an sie herangezogen wurde. Entgegenkommer zu passieren war kein Problem, aber das Überholen dauerte ewig. Einmal drückte uns eine Schubeinheit dabei nahe ans Ufer heran. Als wir etwa ihre halbe Länge passiert hatten, rannten wir auf ein Hindernis. Die Carioca warf sich hin und her, kam dann aber wieder frei. Das wiederholte sich zwei oder dreimal, als ob wir das Hindernis vor uns her rollten, dann war es vorbei. Wäre sie quergeschlagen, hätte uns die Schubeinheit „übergemangelt“. Das hätte Tote geben können. Wir dachten, auf einen Stein oder ähnliches gelaufen zu sein. Als dann aber später die Carioca aus dem Wasser kam, erkannten wir, was es war: Die Kratzer am Unterwasserschiff waren in unverkennbarem Trabbi-Hellblau. Wir hatten einen im Kanal „entsorgten“ Trabbi überfahren und vor uns hergewälzt. Gegen unsere 17,5 t hatte die DDR-Kunststoffkiste keine Chance!

In den Schleusen war es nicht ganz einfach, mit dem fast 20 Meter langen Mast, der vorn etwas und hinten fast 5 Meter überstand, zu manövrieren. Vor dem Schiffshebewerk Niederfinow, einem sehr eindrucksvollen technischen Meisterwerk, musste ich wenden, weil ich versehentlich an der Wartestelle für Sportboote vorbeigefahren war und „zurückgepfiffen“ wurde. Der Zufahrtskanal war kaum breiter als die Carioca lang. Voll konzentriert auf Bug und Heck praktizierte ich „Drehen auf kleinstem Raum“ und als ich herum war, hörte ich die Crew erleichtert aufatmen. Ich hatte die 4 m Mast hinter dem Schiff total vergessen und damit „Rasen gemäht“. Glücklicherweise stand da kein Baum oder Poller!

Die Alte Oder zwischen dem Schiffshebewerk und der Oder ist der landschaftlich schönste Teil der Strecke. Wir kamen bis Schwedt am Oder-Seitenkanal. Am nächsten Tag klarierten wir problemlos in Polen ein und liefen auf der Westoder durch Stettin zum Yachthafen „Interster“, wo Freund Walter zusammen mit einem polnischen Bootsbauer, Jurek, eine kleine Werft betrieb. Der Yachthafen „Interster“ liegt in einer Ausbuchtung der Oder und machte einen recht gepflegten Eindruck. Es war der Hafen des früheren Stettiner Yachtclubs, dessen Clubhaus man im Hintergrund noch sieht. Oben auf dem Hang steht der jetzt etwas deplazierte Bismarkturm – natürlich ohne Bismack..

zur Hauptseitenach obenStettin 1993-96